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Nachhaltigkeit in der Luftfahrt: Europäische Initiativen für mehr Umweltschutz

Der Luftverkehr ist für 2,8 % des weltweiten, vom Menschen verursachten CO2 Ausstoßes verantwortlich. Berücksichtigt man die zusätzlichen Stickoxide und den noch immer ungeklärten Einfluss von Kondensstreifen auf die Ein- und Abstrahlung in die Atmosphäre, müsste der Faktor sogar beim 3-5-fachen liegen. Die gute Nachricht: der Effekt, den man durch eine Systemänderung erzielen kann, ist deutlich größer. Mit Initiativen wie der Auslagerung von Kurzstrecken auf die Schiene, dem „Single European Sky“ oder Destination 2050 ist viel Bewegung in der Branche.

 

Auto, Bus, Zug oder Flug: Eine Frage der Rahmenbedingungen und der Infrastruktur

Die Entscheidung, welches Verkehrsmittel das umweltfreundlichste ist, lässt sich objektiv nicht so einfach beantworten, wie man sich erhoffen würde. Laut den Statistiken des Umweltbundesamts für 2019 verbraucht ein Auto durchschnittlich 154 g CO2 pro Personenkilometer, ein Flugzeug mit einer Auslastung von 70 Prozent kommt bei einer Kurzstrecke auf über 200 g. Bei mittellangen Strecken (z.B. zwischen Zielen innerhalb Europas) wird ein niedrigerer Verbrauch von 180 g pro Personenkilometer veranschlagt, bei Langstrecken sogar nur 91 g. Nutzt man bodengebundene Verkehrsmittel, muss man vor allem bei inländischen Verbindungen einen deutlichen Zeitverlust einplanen. Dieser kann allerdings durch eine gute Zuginfrastruktur wett gemacht werden. Paradebeispiele hierfür sind die Verbindung von Straßburg nach Paris in 1:45 h (500 Kilometer) und von Madrid nach Barcelona in 2:30 h (670 Kilometer). Handelt es sich beim Kurzstreckenflug aber um einen Zubringer zu einer Langstrecke, überwiegen meist Komfort und Zeitersparnis. Zudem sind immer noch nicht alle internationalen Flughäfen an das Fernverkehrsnetz angeschlossen, München als bestes Beispiel. Es gibt immer mehr Fluggesellschaften, die mit der Bahn zusammenarbeiten, um ein neues Netz von Verbindungen zu ihren Drehkreuzflughäfen aufzubauen und Kurzstreckenflüge auf die Schiene zu bringen. Swiss International Airlines zum Beispiel führt derzeit eine internationale Zugverbindung mit ihrem Swiss-Air-Rail-Service ein, die den Münchner Hauptbahnhof direkt mit dem Flughafen Zürich verbindet. In der europäischen und internationalen Luftfahrt gibt es einige weitere spannende Initiativen, auf die ich kurz eingehen möchte.

 

Single European Sky: Ein Europa, ein Himmel

So wie die Ländergrenzen sind auch die Luftraumgrenzen historisch gewachsen. Bereits seit Ende der 1990er Jahre arbeitet die Europäische Kommission daran, den europäischen Luftraum unter dem Gesichtspunkt der Optimierung der Verkehrsströme neu zu strukturieren. Dabei sollen funktionale Luftraumblöcke (Functional Airspace Blocks, FABs) geschaffen und die Zersplitterung durch nationale Landesgrenzen und Interessen aufgelöst werden. Die aktuelle Herausforderung: fliegt man beispielsweise von Stockholm nach Prag, durchquert man bei gerader und damit direkter Strecke abwechselnd mehrfach den deutschen und den polnischen Luftraum. Nun hat man die Wahl, mit einem kleineren Umweg nur im deutschen oder mit einem größeren Umweg nur im polnischen Luftraum zu fliegen, die deutsche Luftsicherung ist allerdings teurer. Nur über eine Homogenisierung der Lufträume und der damit verbundenen Luftraumgebühren können die effizientesten, direktesten Strecken genutzt und somit erhebliche Einsparungen an Kerosin von bis zu 10 Prozent sowie eine Verkürzung der Flugzeiten erreicht werden.

 

Destination 2050: Ehrgeizige Ziele des European Aviation Sektors

Synchron zum „Net-Zero Carbon Emissions by 2050“ Programm der IATA (International Air Transport Association) verfolgt auch die Europäische Luftfahrtbranche ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele mit dem Bestreben, CO2 Neutralität zu erzielen. Laut Hochrechnungen dürften bis 2050 etwa 10 Milliarden Passagiere weltweit pro Jahr transportiert werden – im Vergleich dazu, vor Corona waren es etwa 4 Milliarden. Die CO2 Einsparungen sollen auf Europäischer Ebene vor allem über vier Maßnahmenblöcke erreicht werden:

  1. Verbesserung bei Flugzeug- und Triebwerkstechnologie – bis zu 37 % Einsparungen
  2. Einsatz von Sustainable Aviation Fuel (SAF) – bis zu 34 % Einsparungen
  3. Umsetzung wirtschaftlicher Maßnahmen – bis zu 8 % Einsparungen
  4. Verbesserungen des Flugverkehrsmanagements (ATM) und des Flugbetriebs – bis zu 6 % Einsparungen

Die IATA setzt sogar noch verstärkter auf das Thema SAF und sieht das Einsparpotential in folgenden Bereichen:

-65 % durch SAF, die Produktion muss von heute 100 Millionen Liter auf mindestens 449 Milliarden Liter im Jahr 2050 steigen, um den Bedarf zu decken

-19 % durch Offsetting/carbon capture. Das Power-to-Liquid (PtL) Verfahren entzieht der Atmosphäre mit Hilfe von (Öko-)Strom und Wasser CO2, welches für die SAF-Produktion verwendet werden kann

-13 % durch neue Technologien, vor allem neue Flugzeuge und Treibwerke

-3 % durch Infrastructure/Operations wie Single European Sky, fuel efficiency management Systeme oder die Reduktion von Gewicht

Ein Teil der Maßnahmen wird bereits heute umgesetzt. Hierzu zählen die Reduktion von Gewicht, die Optimierung der Flugwege, die Verbesserung der Flugplanung und weitere Forschung im Bereich Oberflächen/Aerodynamik. Die Swiss testet beispielsweise aktuell eine haifischhautähnliche Oberflächenstruktur auf ihren Boing 777-300Er, die den Reibungswiderstand reduziert und dadurch den Treibstoffverbrauch senkt. Und auch Passagiere können schon heute freiwillig ihren CO2 Ausstoß durch diverse Nachhaltigkeitsprogramme kompensieren. Für eine flächendeckende Lösung braucht es allerdings die Politik, um entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen, die nicht nur auf Freiwilligkeit beruhen. Und auch beim Thema SAF ist die Politik gefragt. Denn sowohl Infrastruktur als auch Rahmenbedingungen für eine Umstellung müssen geschaffen werden, um das Kerosin der Zukunft wettbewerbsfähig zu machen. Die Prozesse in der Luftfahrt sind bekanntlich durch die Zertifizierungsverfahren sehr träge, für jeden Flugzeugtyp braucht es daher entsprechende Zulassungen. Derzeit ist eine Betankung mit SAF nur zu ca. 10 Prozent erlaubt.

Ein kleiner Beitrag auf einem einzelnen Flug kann hochgerechnet auf tausende Flüge einen großen Unterschied machen. Wir sind extrem gespannt, wo die Reise in den kommenden Jahren hingehen und wie sich die einzelnen Themen weiterentwickeln werden. Als Kommunikationsagentur berät unser Team von Grayling Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber, Flugsicherungsorgane und andere Interessengruppen der gesamten Luftfahrtbranche in Bezug auf ihre Kommunikationsbedürfnisse. Von der Schulung von Pressesprechern bis hin zur Planung von Krisenreaktionsstrategien oder der Entwicklung von 360-Grad-Verbraucherkampagnen unterstützen wir mit unserer lokalen Expertise und globalen Vernetzung. Wenn auch Sie die Herausforderungen Ihrer Organisation näher erörtern möchten, stehen wir Ihnen sehr gerne zur Seite!

 

Franziska Köhl, Associate Director, Grayling Deutschland